WIRTSCHAFTSSPIEGEL – Ausgabe 2/2023

Digitalisierung und Datensicherheit 20 mens und bietet diese Kunden online zum Kauf an. Es herrscht ein klassisches Angebots- und Nachfragemodell: Ein Anbieter trifft mit seinem Angebot auf eine Vielzahl von möglichen Nachfragern. Hier bestehen keine indirekten Netzwerkeffekte, sondern direkte Netzwerkeffekte, denn die Zahl der Nachfrager richtet sich beim eigenen Webshop nicht nach der Anzahl der Anbieter (einseitiger Markt mit einem Anbieter, nämlich dem Unternehmen, das den Shop betreibt). Im Gegensatz zum eigenen Webshop treten Unternehmen auf den oben genannten Online-Plattformen gemeinsam mit anderen Wettbewerbern gegenüber einer Vielzahl von Kunden auf. Das hat Vorteile: Anbieter profitieren durch den schnellen digitalen Marktzugang und treffen auf eine Vielzahl potenzieller Käufergruppen. Und dies ohne Investitionen in die Webshop-Entwicklung und die digitale Shop-Infrastruktur. Einkäufer treffen im Gegenzug auf ein großes Sortiment mit hoher Preistransparenz und profitieren von sicheren Plattformen mit hoher Performance. Ersetzen B2B-Plattformen künftig den klassischen Webshop? Plattform-Experten zufolge haben eigene Webshops es oft schwer, von Google gefunden zu werden. Zu hoch sind die SEO-Rankings der gängigen Plattformen. Doch B2B-Plattformen haben auch Nachteile: durch die Abführung von Transaktionsgebühren verringern sich Margen. Außerdem sind individuelle Unternehmensmerkmale wie die Qualität des Kundenservice, eigens entwickelte ProduktKonfiguratoren oder das Angebot von Einzel- und Individualfertigungen schwer auf fremden Plattformen abbildbar. B2B-Plattformen werden aufgrund der genannten Vorteile aber durchaus langfristig die digitale Ökonomie mitbestimmen. Funktionieren regionale Plattformen? Wir wissen, dass Plattformen von der Anzahl ihrer Akteure auf beiden Marktseiten abhängen. Und wir haben gelernt, dass Plattformen Monopolstellungen begünstigen. Ergeben regionale Plattformen also Sinn? Jein! Eine bestehende regionale Handels-Plattform für Einkauf und Vertrieb zu nutzen, kann eine sinnvolle Ergänzung zum bisherigen Geschäftsmodell darstellen. Die generellen Vorteile wurden bereits genannt. Außerdem bieten sie beispielsweise Zulieferern die Möglichkeit, bestehende Abhängigkeiten von Kunden aufzubrechen und neue regionale Kundensegmente zu erschließen. Klassische Wertschöpfungsketten werden auf diese Weise zu regionalen Wertschöpfungsnetzwerken, in denen Unternehmen sowohl als Anbieter, als auch als Nachfrager agieren können und beispielsweise kurzfristige Angebots- oder Nachfrageschwankungen sowie Kapazitätsauslastungen regional ausgleichen oder abfedern können. Mittelfristig warten hier Effizienzgewinne und Umsatzwachstum. Doch auch hier gilt: Nur, wenn die Plattform genügend Akteure auf beiden Seiten miteinander vernetzen kann, haben regionale Handelsplattformen eine Chance. Daher: Wenn regionale Plattformen die Wertschöpfung Ihres Unternehmens positiv beeinflussen können und zu Effizienzgewinnen führen: Nutzen Sie sie! Verzichten Sie jedoch lieber auf die Nutzung regionaler Marketing-Plattformen. Erinnern Sie sich an das Beispiel StudiVZ? Etablierte B2B-Social-Plattformen wie LinkedIn haben die indirekten Netzwerkeffekte so perfektioniert, dass die Nutzung regionaler sozialer Netzwerke im Business-Kontext keinen Sinn ergibt. Denn Marketingmaßnahmen und Informationsaustausch funktionieren nur da, wo eine „kritische Masse“ an Akteuren bereits vorhanden ist. Von der Nutzung oder sogar Schaffung einer neuen regionalen Plattform für reine Kommunikations- und Marketingzwecke ist daher abzuraten. Kommen wir abschließend zu unserer Anfangsüberlegung zurück: Sie haben das Gefühl, mit Ihrer Geschäftsidee mittels Schaffung einer neuen Plattform einen originären Markt zu erschließen und eine Nische zu besetzen? Dann kann Ihr Vorhaben nur dann gelingen, wenn die Wirtschaftlichkeit der Plattform unter einer Vielzahl von Gesichtspunkten betrachtet und evaluiert wird. Denn Wirtschaftlichkeit geht bei Plattformen immer auch mit Originalität einher. Es besteht bereits eine Plattform, die ähnliches kann? Diese Plattform wird womöglich bereits stärkere indirekte Netzwerkeffekte besitzen. Dann sind Ihre Erfolgschancen eher gering. Stellen Sie sich also immer auch die Frage: Ist in meinem Markt Platz für eine weitere Plattform? Bei der Schaffung einer neuen regionalen Plattform gilt daher noch eindringlicher als bei anderen digitalen Geschäftsmodellen: Prüfen Sie den Einzelfall und beherrschen Sie die Gesetze der Plattformökonomie! Die geltenden Prinzipien kennen Sie nun. Plattformen rege nutzen Digitale Plattformen können dann eine Chance für den Mittelstand darstellen, wenn bestehende Plattformen rege genutzt werden, um eigene Wettbewerbsvorteile auszubauen und Effizienzgewinne zu schaffen. (lm) „Bestehende Plattformen können eigene Wettbewerbsvorteile ausbauen und Effizienzgewinne schaffen.“

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